Puerto Limon, ein kleines Städtchen mit knapp 6’000 Einwohnern an der Ostküste von Costa Rica gelegen, heisst seit vergangener Nacht die Teilnehmer der diesjährigen Transat Jacques Vabre willkommen. Jean-Pierre Dick und sein Co-Skipper Jérémie Beyou sind heute um 1 Uhr in der Früh als erstes Team eingelaufen und von der Rennleitung, Behördenvertretern und zahlreichen Journalisten sowie einigen Schaulustigen, die das Spektakel nicht verpassen wollten, begrüsst worden.
Das kleine verschlafene Puerto Limon ist sich an diese Art von Anlass nicht gewöhnt. Es gibt keinen Freizeithafen, und so laufen die Jachten im Handelshafen ein inmitten von Containerschiffen, welche beladen sind mit Bananen oder Mangos. Um in den Hafen rein zu kommen, muss man sich ausweisen können und ein Wächterhäuschen passieren. Das alles ist obligatorisch in dieser Handelszone, welche jedoch mehr auf Containerfracht ausgelegt ist als auf Champagnerduschen für siegreiche Segler.
Die Stadt an sich ist verrucht, sagt man, und in der Nacht soll es regelrecht gefährlich sein…die Strassen sind bis spät in der Nacht voll mit flanierenden Menschen. Aus den Bars klingt Reggea Musik…und an jeder Strassenecke bilden sich kleine Gruppen, welche den technischen Crews, die die Farben ihrer jeweiligen Teams tragen, finstere Blicke zuwerfen.
Dominique und Michèle legen derweil die letzten Seemeilen ihrer Reise durch das Karibische Meer zurück. Ein Platz auf dem Podium liegt nicht mehr drin. Bleibt noch die Möglichkeit, einen Mitkonkurrenten zu überholen und so einen Platz im Gesamtklassement gut zu machen oder eine Wolke auszunutzen und vielleicht noch einige Gegner elegant in die Schranken zu verweisen.
Die Skipper der Mirabaud glauben daran und geben immer noch Vollgas. Die Gebrüder Burton, die vor ihnen liegen, sind nicht weit entfernt….und die Bewegungen in der vergangenen Nacht beweisen, dass noch alles möglich ist.
Michèle erzählt: „Gegen das Ende des Tages erleben wir einen traumhaften Sonnenuntergang. Wir bereiten uns auf eine Halse vor, jeder nimmt seinen Posten in totaler Stille ein. Nur einige vertraute Blicke der Zufriedenheit gehen von einem zum anderen, als das Manöver gut gelungen ist, ein bisschen so wie in einem Stummfilm!
Die Nacht geht ruhig vorüber, keine Böenfelder, keine Probleme, das Meer ist praktisch spiegelglatt, und das Boot gleitet ruhig unter dem grossen Spinnaker dahin. Der Wind schwächt sich ab, wird unstet, und wir wissen, dass er uns vielleicht nicht mehr bis ins Ziel begleitet und die Treue hält. Doch noch geniessen wir die laue Luft und das von Sternen hell erleuchtete Firmament und gleiten mit 13 Knoten sanft dahin. Wir geniessen die See!
Auf dem Bildschirm unten links erkennen wir Costa Rica, welches noch in einiger Distanz zu uns entfernt liegt. Denn der Kurs führt uns nicht gerade darauf zu. Wir nähern uns aus Norden, wie es uns der Routenplaner empfiehlt. Unsere ETA (die geschätzte Ankunftszeit) in Puerto Limon wird vermutlich am 20. November gegen 1 Uhr in der Früh französische Zeit sein, was noch immer eine Schätzung ist und von den Wetterbedingungen in Küstennähe abhängt…“
Die Analyse von Michèle bestätigt sich in Puerto Limon: Dicke Wolken bilden sich, aus welchen sich alsbald ein feiner und anhaltender Nieselregen löst, der sich entlang der ganzen Küste ausdehnt und noch mit einigen Überraschungen droht….guten oder schlechten….bis zur allerletzten Minute.